Unsere Vorfahren erlebten in Katharinental nicht nur gute, sondern auch sehr schwierige Zeiten voller Leid. Das Jahr 1919 gehört zu den Schreckensjahren.
Mein Ururgroßvater Lorenz Janzer (1874-1919) starb 1919 bereits im Alter von 45 Jahren. Hinweise auf die Todesursache habe ich im Heimatbuch der Deutschen aus Russland, Jahrgang 2001/2002 auf Seite 192 gefunden. Aber nicht nur er musste 1919 sein Leben lassen.
Michael Hörner berichtet in dem genannten Artikel über Katharinental und listet dann 42 (!) Personen auf, die 1919 in Katharinental von Bolschewiken erschossen wurden. Außerdem gibt es eine Liste von Bauernhöfen, die während der Oktoberrevolution 1917 niedergebrannt worden sind.
Beide Listen wurde auch von blackseagr.org veröffentlicht unter https://www.blackseagr.org/pdfs/Katharinental-hoerner.pdf
(für alle Sprachen außer Deutsch: die nachfolgend genannten Namen könnten bei der Verwendung des Google-Übersetzers verändert werden, die Original-Namen seht ihr ganz oben in den den aufgeführten Kategorien)
Bauerhöfe, die während der Oktober-Revolution 1917 niedergebrannt wurden:
BERNHARDT → Johann, Leo St., Lorenz, Nikolaus, Rafael
BOEHM → Josef Jos.
BULLINGER → Adam, Konrad
BUTSCH → Eduard Seb., Hieronymus, Hieronymus J., Josef Jos., Leo J., Rochus, Rosa, Sebastian
DEIBELE → Aloisius Ad. DEIBELE, Hilarius St. DEIBELE, Ottilie
DILLMANN → Georg Jos. DOLL, Stefan
FITTERER → Eugen
HAAF → Elisabeth, Johann Sim.
HAMMEL → Josef Joh., Peter
JANZER → Lorenz, Thomas
JOCHIM → Alexander G., Emanuel, Franz
KLEIN → Gabriel, Hilarius Fr.
KRIEGER, Georg G.
KUNZ → Johann
MACKERT → Adam Jos. MACKERT, Aloisius
MAIER → Bernhardt
MILDENBERGER → Josef
RUNG → Hilarius
STEINER → Stanislaus
STROH → Jakob I, Jakob II, Jakob Joh.
ZENTNER → Josef
Personen, die 1919 von Bolschewiken erschossen wurden:
BOEHM → Franz, Stefan
BULLINGER → Adam, Jakob K., Karl
BUTSCH → Aloisius, Anton, Bernhard, Elisabeth Th., Franz, Sebastian
DEIBELE → Christian St., Leo St.
DILLMANN → Georg St., Johann Georg
FITTERER → Egitius, Franz Kas., Pauline, Pauline (Mutter), Thomas Mart.
FLINK → Franz St.
HAAF → Adam, Ludwig, Michael
HAMMEL → Johann A.
HOERNER → Josef Gottfried, Josef Josef, Leo Josef, Ludwig
JANZER → Lorenz
JOCHIM → Georg sen., Georg sen., Georg Georg, Leo Georg, Stefan
KASTNER → Christian Josef, Georg Josef, Josef Josef
KLEIN → Franz Seb., Georg Seb., Hilarius Fr., Peter Joh.
Es gibt zudem schockierende Berichte aus dieser Zeit über Katharinental und die Nachbarkolonie Karlsruhe, die zeigen, wir sehr die Menschen damals zu leiden hatten.
Der erste Bericht findet sich unter http://www.remmick.org/GRHistoryInLetters/Page49.html
In der „Dakota Free Press“ (eine Zeitung für Russlanddeutsche, die in die USA geflüchtet waren) erschien am 2. Juli 1920 ein Bericht über die Zeit des Terrors in den Jahren 1919/1920 in den Kolonien Südrusslands. Hier wird auch Katharinental erwähnt. Ein Auszug:
Bericht über den Zustand der Kolonien im Kreis Odessa im Sommer 1919.
„Wir haben gerade einen Brief von einem Vertreter unseres Zentralkomitees in Odessa, Herrn H. Thauberger, erhalten. Der Brief ist allerdings auf den 5. Oktober 1919 datiert. Die darin enthaltenen Berichte befassen sich mit der Zeit des zweiten bolschewistischen Terrors und der darauf folgenden Regierung Deniken. Er vermittelt ein trauriges Bild des Sommers 1919. Was genau im Winter 1919-1920, während des dritten bolschewistischen Regimes, geschah, ist uns noch unbekannt. Hoffentlich ist es nicht allzu schlimm. Der Brief berichtet wie folgt:
Die Bolschewiki haben in den Kolonien um Odessa schreckliche Schäden angerichtet. In Kleinliebental und Großliebental wurden etwa 50 Mann getötet, in Selz 88. Das sind nur einige Dörfer. Auf der anderen Seite von Odessa, hinüber zu Nikolajew, war es genauso schlimm. Am schlimmsten war es in Rastatt, wo 78 Häuser niedergebrannt und 39 Männer getötet wurden. München erlitt wenig Schaden. Worms hat viel gelitten, 33 Häuser wurden zerstört, darunter das Schulhaus, das Pfarrhaus und das Gemeindehaus. Dreizehn Personen wurden getötet, darunter drei Frauen. Im wohlhabenden Landkreis Landau wurden große Verluste erlitten. Landau selbst hatte 14 Opfer, Speier (Speyer) 4; beide hatten wenig Schaden an ihren Gebäuden. Im Vergleich dazu wurden Katharinental und Karlsruhe stark beschädigt. Im Katharinental wurden 62 Häuser zerstört und 70 Männer ermordet, in Karlsruhe 55 von etwa 200 Häusern niedergebrannt und 58 Männer getötet.
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Die durchziehenden Banden sowie die umliegenden Bauern plünderten meist ausnahmslos die Gehöfte, Geschäfte und Häuser. Was beweglich war, wurde weggetragen. Die Menschen leben in leeren Wohnungen, es gibt nichts mehr zu kaufen. Die Menschen warten hungrig auf Nachschub. Die Knappheit an Lebensmitteln und Kleidung ließ die Preise steigen. Ein Paar Zugpferde kostet 100.000 Rubel. Wir haben auf verschiedene Weise versucht, die Hilfe für Bedürftige zu beschleunigen, aber wir können nur einen kleinen Teil des Schadens decken, der Unternehmen überall auf der Welt entstanden ist.“
Der zweite Bericht ist nicht weniger entsetzlich. Dieser wurde durch die GRHS veröffentlicht unter https://www.grhs.org/chapters/bdo/newsletters/bdo42.pdf
John Renner berichtet hier, wie am 27. Oktober 1919 die Nachbarkolonie Karlsruhe überfallen wurde. Hier die
Übersetzung des englischen Berichtes:
„27. Oktober 1919, 13:00 Uhr; das Dorf Neu-Karlsruhe mit 33 Häuser wurden von etwa 500 Männern berittener Banditen umzingelt. Das Schießen und Brüllen machte den Einwohnern große Angst. Zuerst dachten sie, es wäre nur eine Räuberbande, die vorbeiging. Die Leute dachten, sie seien mehr auf Waren bedacht als aufs Töten, deshalb flohen die Leute nicht, sondern versteckten sich in ihren Häusern.
Alle Männer sollten sofort zur Schule gehen. Wie immer war unser Vater der Leiter und der Erste im Schulhaus, und vertraute der teuflischen Bande. Nach und nach fast alle Männer kam in die Schule. Die höllische Arbeit begann. Sie verlangten, das ganze Geld hereingebracht werden sollte. Als die Räuber das Geld hatten, mussten sich die Männer bis auf die Unterwäsche ausziehen. Sie wurden im Schulzimmer eingesperrt und dann schossen die Angreifer durch die Fenster. Zu den Unglücklichen gehörte auch unser lieber Vater und zwei meiner Brüder.
Der Jüngste und der Zweitälteste überlebten. Zu Beginn der Schießerei knieten sie hinter dem Ofen. Vater wollte sich zu den beiden hinter den Ofen gehen. Er kam kaum bis zur Ecke der Ofen, als ihm eine Kugel durch den Kopf schoss und er lautlos auf seine beiden Söhne fiel. Sein lebloser Körper bedeckte sie.
Die Schießerei hörte schließlich auf. Die Räuber sahen sich den Ort an und alle lagen in einem Blutbad und sahen tot aus Sie. Also verließen sie die Schule und raubten die Häuser aus. An diesem Tag wurden in Neu-Karlsruhe 17 Männer erschossen.“
Das Jahr 1919 war wohl eines der schlimmsten Jahre für unsere Vorfahren aus Katharinental.